Bernd Delbrügge im Interview mit der »Kölner Illustrierte« über das Album »Analogue Souls«

  • Warum haben Sie sich dazu entschieden, »Analogue Souls« komplett analog aufzunehmen?

Wir wollten das Album so aufnehmen, wie man es von legendären Labels wie »Sun Records«, »Stax« oder »Motown« kennt. Das bedeutet, es in einer gemeinsamen Aufnahmesession live im Studio einzuspielen. Den richtigen »Spirit« für unsere Art von Musik bekommt man nur so hin. Von Anfang an war auch klar, dass wir dafür ausschließlich analoge Instrumente verwenden würden. Z.B. eine Hammond-B3-Orgel und ein originales Wurlitzer-Piano. Da lag es nahe, das Aufnahmeverfahren ebenfalls analog zu gestalten. Eine analoge Aufnahme kann theoretisch unendlich viele Toninformationen abbilden. Eine digitale Aufnahme zerlegt alles in »0« und »1«. Im Ergebnis klingen analoge Aufnahmen einfach wärmer, berührender. Die meisten deutschen Tonstudios sind allerdings auf ein solches »oldschool« Aufnahmeverfahren gar nicht mehr eingerichtet. In den 90-er und 2000-er Jahren hat man analoge Aufzeichnungstechnik seriell verschrottet. Ganze LP-Presswerke landeten auf dem Müllplatz der Geschichte. Inzwischen gibt es für Vinylpressungen Lieferfristen von einem Jahr! Dirk Baldringer in Leverkusen war immer schon ein Verfechter analoger Technik und verfügt in seinem Studio über Tonbandtechnik aus den 70-er Jahren. Und er weiß damit umzugehen! Für die Aufnahme meines Saxophons haben wir uns übrigens für ein Mikrofon aus dem Jahr 1963 entschieden, ein baugleiches Exemplar hat schon Ringo Starr bei den »Beatles« benutzt.

  • Die Delbruegge Band veröffentlicht »Analogue Souls« exklusiv auf Vinyl: Sie scheinen nicht viel von Streaming-Diensten zu halten oder?

Ich betrachte das Thema natürlich weniger aus der Sicht des Konsumenten, denn aus der Sicht des Komponisten und Produzenten. Also aus der Sicht des musikschaffenden Künstlers, was mein Beruf ist. Streaming-Dienste wie »Spotify« sind bekannt dafür, uns Künstlern nur marginale Summen für das Abspielen unserer Musik auszuzahlen. Für Charts-platzierte Musiker mag das einen Sinn ergeben, die große Mehrheit der Musikschaffenden geht dabei aber leer aus. Und fragen Sie einmal den Durchschnittskonsumenten, wie er Musik über Spotify wahrnimmt. Er kann Ihnen in der Regel die Künstler seiner von Algorithmen bestimmten Playlist gar nicht nennen. Von der audiophilen Qualität und Faszination einer analogen Studioproduktion bleibt auf Spotify ohnehin wenig bis nichts übrig. Ganz zu schweigen davon, dass wir für »Analogue Souls« ein feines Artwork entwickelt haben. Daran haben eine tolle Grafikerin und großartige Fotografen mitgewirkt. Das Album erscheint in einem hochwertigen 4-seitigen Klappcover. All das ergibt in der Summe ein »Werk«, das sich über Streaming-Dienste nicht darstellen läßt. Plattformen wie »Bandcamp« stellen Musik zu weitaus faireren Konditionen ins Netz. Dort wird unser Album auch gelistet sein. Im Zweifelsfall ist der beste Artenschutz für Künstler aber der, das Album über unsere Webseite direkt bei uns zu bestellen. Es ist möglich, nach Erwerb der LP einen Downloadzugang zu erhalten, über den man die Musik auch im MP3-Format laden kann. Infos dazu gibt es für den Käufer im Booklet der LP. 

  • Wie hat die Corona-Pandemie Sie als Musiker und auch Ihre Musik beeinflusst?

Das Jahr 2020 brachte mehr als genug Zeit und Muße zum Komponieren. Plötzlich auf sich zurück geworfen können Dinge mit einem geschehen. Es kann auch die große Depression ausbrechen, aber ich machte mir das Mephisto-Prinzip zu eigen: »Das Schlechte im Guten, das Gute im Schlechten«. Ich begriff die Krise als Chance und ließ mich auf meiner Lieblingsparkbank von der Muse küssen. Der Erwerb eines portablen Aufnahmegeräts erwies sich als hilfreich, und so entstanden die ersten Demoaufnahmen für »Analogue Souls« auf einer Parkbank im Köln-Vogelsanger »Biesterfeld«. So gesehen habe ich mich in der Corona-Krise ein Stück weit neu erfunden. Dass wir aber am Ende dieser Zeit mit einem feinen Debüt-Album darstehen, war vor zwei Jahren wirklich nicht absehbar. 

  • Wenn Sie Ihre eigene Platte in Händen halten, in welcher Szenerie würden Sie sie auflegen?

Ich wollte die Musik komponieren und aufnehmen, die ich selbst morgens um zwei Uhr in meiner Lieblingsbar hören möchte. Also Musik irgendwo zwischen Duke Ellington, Tom Waits und Clairchens Ballhaus. Vielleicht noch mit einem Schuß Edgar Wallace. Das hat geklappt.

  • Zu »Hop Hop«: Gemeinhin würde man Funk wohl als sehr lebensbejahend bezeichnen. Ist es schwer in solchen Zeiten diese Art von Musik zu schreiben?

Funk ist zuallererst Bewegungsmusik, und »Hop Hop« ist einer der ersten Songs, die ich für das Album geschrieben habe. Also ganz zu Beginn der Corona-Krise. Da stand natürlich auch ein wenig die Sehnsucht nach einer Musik Pate, die uns und das Publikum aus der Lethargie erweckt und wieder in Bewegung versetzt. Aber am Ende gilt wie immer die alte Songwriterwahrheit: »Nicht du findest den Song, der Song findet dich.«  

  • Welcher Song liegt Ihnen besonders am Herzen und warum?

Das ist jetzt eine Frage, die für mich nicht ganz einfach zu beantworten ist, denn ich mag das ganze Album wirklich sehr. Vielleicht »Il Mio Topolino«. Der Song ist wie ein Fellini-Film und beschreibt mein Sehnsuchtsitalien in Tönen. Aber vielleicht noch ein kleines Bißchen mehr ist es »Lost In E Minor«. Der Titel faßt mich immer wieder an. Das Thema gefällt mir sehr, ebenso die Art und Weise, wie es sich über diese E-Moll 7/9 Blues-Akkorde entwickelt. Die Band spielt zum Niederknien schön, und wenn dann noch die Gitarre von Buddy Sacher erklingt… oh là là. Der Song hat etwas von den frühen »Fleetwood Mac« Aufnahmen mit »Peter Green«, und als letzter Titel auf dem Album bringt er uns dahin zurück, woher alles kommt: zum Blues. Zum Ursprung unserer Jazz- und Popmusik. So schließt sich am Ende der Kreis. »Lost In E Minor« ist auch als Verbeugung vor dem langen Weg gemeint, den der Blues vom Mississippi-Delta bis zu einer Parkbank in Köln-Vogelsang zurück gelegt hat. Ohne ihn gäbe es mich musikalisch nicht.

  • Am 06.04. stehen Sie zusammen mit Ingolf Lück auf der Volksbühne am Rudolfplatz. Wie kam diese Verbindung zustande?

Ingolf und ich kennen uns schon lange. Wir sind ja beide »Eastern-Westfalien-Aliens« in Köln. So ein Leben in der Diaspora verbindet. Und als ich diese Idee für unser gemeinsames Bühnenformat hatte, hat Ingolf sofort »JA« gesagt. 

  • Im Friedrich-Ebert-Saal in Bickendorf steigt am 29.04. das Releasekonzert zu »Analogue Souls«. Was wünschen Sie sich für den Abend?

Das klingt jetzt vielleicht abgedroschen, aber im Augenblick wünsche ich mir nichts mehr als Frieden. Mein größtes Glück wäre, wenn wir den in der Ukraine zum Zeitpunkt unseres Konzerts hätten. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.